Mittwoch, 21. September 2011

„Jelli naperu Priya-Aka“ (Ich heiße Birte)


Nein, nein, nein. Der Blogeintrag, den ich in Dubai am Flughafen geschrieben habe ist absolut überflüssig und längst nicht mehr gültig. Er hätte lediglich von meinen Gedanken, Erfahrungen und vor allem Gefühlen  berichtet, die meinen Flug prägten, die sich jedoch allesamt schlagartig in dem Moment veränderten, als  ich das  Mädchenheim betreten habe. Es ist so unglaublich schwer, in nur einem einzigen Blogeintrag zu beschreiben, wie es mir geht, wie es hier ist, welche Eindrücke ich habe und welche Erfahrungen ich bereits jetzt, nach nur zwei Tagen, gesammelt  habe. Alleine über die Ankunft und die etwa dreistündige Hinfahrt mit dem Auto könnte ich seitenweise berichten… Es begann mit einem kleinen Pappschild, das eine kleine, zierliche Frau in pinkem Gewand schüchtern in den Händen hielt: „ALMA & BRITE“ war darauf zu lesen. Es war ein Gefühl wie auf dem roten Teppich, als wir das Flughafengebäude in Hyderabad verließen: Alle (wirklich alle, diesmal keine Übertreibung!) Augen waren auf uns gerichtet und sahen uns fasziniert und bewundernd an. Wir gingen zum Auto und nachdem das Gepäck endlich irgendwie im kleinen Wagen verstaut war ging die Fahrt los. Nach gefühlten 5000 Hup-Signalen (viel weniger waren es wirklich nicht), einer müllfressende Kuh, zwei toten Ratten am Straßenrand inklusive Verwesungsgeruch und circa 10 Fast-Unfällen (zweimal war es wirklich richtig knapp!), kamen wir an. Die meisten Mädchen waren noch in der Schule. Wir betraten unser Zimmer, das wie erwartet ziemlich klein ist und leider noch keinerlei Möbel, außer zwei Betten beinhaltet. Dafür haben wir eine richtige Toilette (jippie!!), die jedoch nur funktioniert, wenn man vorher etwas Wasser in den Spülbehälter füllt (was nicht immer so einfach ist, da heute für einige Zeit kein Wasser aus dem Hahn kam :/). Darüber hinaus gibt es zwei niedrig angebrachte Wasserhähne, sodass man sich zum Duschen auf den Boden über den Abfluss knien muss, um nicht alles zu überfluten. Das Haarewaschen empfinde ich als äußerst kompliziert, da ich meinen gesamten Kopf in einen Eimer stecken muss, um nicht mit den Haaren den Boden zu wischen (das benutzte Wasser eignet sich allerdings durch das enthaltene Duschgel und Shampoo ideal als Spülwasser für die Toilette...) Aber der Körperkontakt zum Boden ist hier sowieso Alltag. Hier sitzt man nur auf dem Boden, egal was man macht, was einerseits toll ist, da man schließlich überall sitzen kann, doch leider schlafen mir ständig die Füße ein und ich muss meine Sitzposition verändern.
Nun aber mal zum Wichtigsten! Nein, ich meine nicht das Essen, das im Übrigen tatsächlich ziemlich scharf ist, sondern die Mädchen. Sie sind wirklich zuckersüß! Sie machen den ganzen Tag Komplimente, ziehen an meinen Klamotten, damit auch wirklich mein ganzer Körper mit Stoff bedeckt ist, passen auf, dass ich mich nicht so lange in der Sonne aufhalte, machen mir Frisuren und kümmern sich rührend um unser Wohl. Sie sind total fasziniert von meinen Haaren,  können kaum glauben, dass sie „natural“ sind, meinen blauen Augen und natürlich meiner hellen Haut. Auch mein Tattoo und der Stein auf dem Zahn verblüffen sie ebenso wie meine Halskette, die ich von meinen Großeltern zum Abschied bekommen habe. Sie suchen ständig nach Körperkontakt, nehmen meine Hand und streicheln mein Gesicht. Ich habe sogar schon einen kleinen Sticker auf der Stirn! Gestern haben wir ganz viel getanzt, die Mädchen sind sehr daran interessiert wie wir in Deutschland tanzen (jede Art von Hemmung ist hier wirklich vollkommen unangebracht!). Auch an den Fotos von meinen Freunden und besonders der Familie sind sie sehr interessiert und haben schon teilweise die Namen meiner Familie drauf (Philipp ist fast perfekt, Achim ist eher ein Akkim und Bruni klingt wie Buli). Mit meinem Namen haben hier alle ein ziemliches Problem, sodass sie mir jetzt einen Namen auf Telugu verpasst haben und mich „Priya-Aka“ (Aka heißt Schwester) nennen.
Alles in allem geht es mir gut, auch wenn meine Gefühlslage noch instabiler ist als kurz vor der Abreise. Das Bild von mir und Rahel, die Schneekugel mit Emma und Elias und natürlich das wundervolle Buch von meinen Freunden und Verwandten stehen direkt neben meinem Bett…

1 Kommentar:

  1. Hallo Birte, du hast so toll und faszinierend geschrieben, dass ich mir einiges bildlich immer besser vorstellen kann und immer mehr Respekt vor deinem indischen Abenteuer habe. Bekomme annähernd eine Vorstellung davon, was du unter Anderem auch an Luxus, Konsum und Selbstverständlichkeiten (duschen war bisher immer sehr einfach!) eingetauscht hast. Dafür wirst du aber Dinge erleben, von denen wir nur träumen können..... wer wird schon freilaufenden Elefanten begegnen und das (fast) ganze Jahr schönes Wetter haben. Liebe Grüße unbekannterweise an deine vielen kleinen Freundinnen. Ich denk an dich, Mama

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