Donnerstag, 9. Februar 2012

Schlaflos in Bogaram


Obwohl es stockfinster ist kann ich sie sehen. Vielleicht ist es Einbildung, vielleicht habe ich mich in dieser Vorstellung schon zu sehr versteift, vielleicht sind sie auch gar nicht auf der Suche nach mir. Ich zwinge mich, die Augen zu schließen. Nein, es ist nicht zu leugnen: Sie kommen näher. Ihre bedrohlichen Geräusche dringen unaufhörlich in meinen Kopf. Bitte, habt Gnade! Doch es bringt nichts, sie wollen mich und sie wissen, dass ich keine Chance gegen sie habe, es sind einfach zu viele. Ich bin ihnen hilflos ausgeliefert und das werden sie bis zum letzten Tropfen Blut ausnutzen. Mein Körper hat sich längst ergeben, lediglich ein kleiner Prozentsatz meines selbsterhaltenden Ichs will die Illusion eines friedlichen Ausgangs dieser Extremsituation nicht verwerfen, will den letzten Grashalm am Ufer des reißenden Flusses nicht loslassen.

Ein kurzer Blick auf mein Handy: 2:09 Uhr. Ich drehe mich auf die Seite. Verdammt, ich brauch dringend ne Idee. Und wieder spüre ich ihre Anwesenheit und stöhne wütend auf, Aggressionen kochen in mir hoch. Es ist wie der Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Freezer und Son Goku, zwischen Bayern und St. Pauli. Bilde ich es mir ein, oder sehe ich tatsächlich im blassen Licht des Mondes ihre unheimlichen Schatten?
Noch seid ihr flink und auch die Dunkelheit spielt euch in die Karten, doch wartet es nur ab, spätestens morgen früh, wenn eure fetten Körper erschöpft von der langen erfolgreichen Nacht durch die Lüfte taumeln, eure schwachen Flügel euch kaum noch am Himmel halten, dann ist meine Zeit gekommen und ich schwöre euch, meine Rache wird grausam werden!

Was bilden sich diese hässlichen Kreaturen überhaupt ein?! Haben die denn nie aufgepasst, als es in der Schule um Evolution und Nahrungskette ging? Ich sehe es schlichtweg nicht ein, mich von einem Wesen, das mir so sehr unterlegen ist, belästigen zu lassen.

Toll, Noah, war ne klasse Idee, dieses Geviechs mit auf deine Arche zu nehmen! Mich hat nie jemand gefragt, ob ich zu deren Erhalt mit einer Blutspende beitragen möchte oder nicht. Und wenn es diese Mistviecher nicht mehr gäbe, würde sicher auch die Spinnenpopulation in diesem Zimmer erheblich reduziert werden.

Doch es macht keinen Sinn den Unsinn zu erkennen, wenn man ihn ohnehin nicht im Kern bekämpfen kann. Tatsache ist: In meinem Moskitonetz befinden sich 4 Mücken, außerhalb etwa die dreifache Anzahl. Ich habe lange Klamotten an, was bedeutet dass sie mich womöglich hauptsächlich in die Hände und ins Gesicht stechen und mich morgen wie einen Streuselkuchen aussehen lassen werden. Nach etlichen weiteren Minuten der Verzweiflung und des Nachdenkens, brachte mich folgender Gedankengang dann endlich zum Einschlafen: Lieber aussehen wie ein Streuselkuchen, als auszusehen wie ein Streuselkuchen, der nicht geschlafen hat.

Warum brauchen die einfachsten Gedanken immer am längsten, bis sie einem in den Kopf kommen?