Samstag, 26. November 2011

Warum ich aus Solidarität gegenüber den Männern meine Lieblingsband nicht mehr hören kann


Ich lebe nun seit zweieinhalb Monaten nur unter Frauen und Mädchen, unter Feministinnen und Müttern, ständig umgeben von weiblichen Wesen (selbst unser Torwächter ist eine Frau)! Im Bus oder in der Rikscha sind die Bereiche für Männer und Frauen weitestgehend getrennt und Männer kommen hier quasi nie zu Besuch: Die Trinkwasser-Lieferanten bleiben entweder vor dem Tor stehen oder tragen die Kanister innerhalb von 2 Minuten auf direktem Weg in die Küche, mit dem „Brother“ (= ein junger Lehrer der Zehntklässlerinnen) kann ich mich auch nicht unterhalten, weil ich damit die volle Eifersucht von etwa 8 postpubertären Mädchen auf mich ziehen würde und dann fällt mir auch schon kein männliches Wesen mehr ein, mit dem ich mich unterhalten könnte (mimimimimi).

Kurzum: ich lebe in einer Welt, die ausschließlich aus X-Chromosomen besteht! Das einzige mickrige Y-Chromosom (das ja laut meines Wissens auch nur ein verstümmeltes X-Chromosom ist – oh Mann, was muss ich mich zusammenreißen, das nicht weiter zu kommentieren! ...) steuert Charly bei, ein junger, schwarzer, vor allem aber nicht sonderlich intelligenter (um nicht zu sagen gestörter) Hund, der eigentlich nur für kurze Zeit in Pflege bleiben sollte aber irgendwie nicht mehr abgeholt wird (vielleicht sollten wir ihn in die Ukraine verschicken).

Der Kontakt zu Männern beschränkt sich auf Glotzen und Gaffen, die Kommunikation auf Halbsätze wie „Oh, very nice!“ oder „Where you going?“ und natürlich auf das ständig zu hörende Geräusch der Handykameras (hier ein Beispiel eines typisch männlichen Verhaltensmusters: Der Mann gegenüber versucht so unauffällig wie nur irgendwie möglich ein Foto von Alma und mir zu schießen, was ihm am Ende sogar tatsächlich ohne unsere Kenntnisnahme gelungen wäre, hätte er nicht vergessen den Ton seines Handys auszuschalten. Als das überdimensional laute „KLICK!“ ertönte war natürlich klar, was sich in den letzten Minuten abgespielt hatte und der arme (meine Definition von weiblicher Ironie besteht darin, dass frau versucht, diese möglichst unauffällig einzusetzen, damit ein Großteil der Männer sie überliest) Mann schaute wie Carsten Spengemann, nachdem er den Diamantring (natürlich nicht!!) gestohlen hat (eigentlich wollte ich als Vergleich die lustigen „Bunga-Bunga-Partys“ mit der lieben Ruby heranziehen, aber da man nicht über Tote lästert, sollte man das auch nicht über pensionierte Politiker tun).)
(Für den Fall (und der trat vor einigen Tagen ein), dass sich doch mal Männer in unser trautes Mädchenheim verirren (es waren „visitors“ von einer großen Bank, die hier Spiele mit den Kindern durchführten (ich musste kurz überlegen, was sie eigentlich hier gemacht haben, weil mir zunächst nur eingefallen ist, dass sie ganz viele Kekse mitgebracht haben…) und dann Preise verteilten), stellt die schwierige Kommunikation mit den Mädchen keinerlei Hindernisse mehr dar. Die Mädchen ziehen ihre aller schönsten Kleider und Panjabis(?) an, die sie sonst nur an ihrem Geburtstag tragen, haben in der Regel aufwendige Frisuren inklusive Blumen im Haar, tragen allen Schmuck, den sie besitzen, stehen ewig vor den kleinen Spiegeln, schmieren sich Puder ins Gesicht, der gut riecht und die Haut heller wirken lässt (hier gilt schließlich: je heller die Haut, desto schöner der Mensch) und, was mir an diesem Kult am besten gefällt, alle Mädchen waschen sich die Haare! Wie kann man bei diesem Trubel nicht mitbekommen, dass Besuch ansteht? (typisches Beispiel einer rhetorischen Frage)). (Ohoh, hoffentlich hab ich in diesem Klammer-Chaos nicht den Durchblick verloren…naja, mach ich mal schnell nen neuen Absatz!)

Alma hat mir neulich erzählt, dass Frauen, wenn sie lange Zeit zusammenleben, irgendwann zur gleichen Zeit ihre Tage bekommen. Das erklärt einiges. Zum Beispiel, dass unsere Köchin, wenn sie die Tür zur Vorratskammer (die im Übrigen nach dem Motto des genialen Helge Schneider Liedes (ok, welches seiner Lieder ist das nicht?!) „Es gibt Reis!“ konstruiert wurde) aufschließt, immer gleich 6-10 rieeeeeesige Packungen (SB-Union-Größe) Damenbinden herausholt (Tampons sind hier eine Rarität!). Wenn ich zufällig sehe, wem sie die Packungen dann in die Hand drückt bekomme ich in der Regel ein schamvolles Lächeln zurück, was ich unter dem Aspekt, dass hier ausschließlich Frauen leben, genauso wenig nachvollziehen kann, wie so einige andere Tatsachen auch: Wieso zum Beispeil zuppeln die Mädchen an mir herum, wenn mein Oberteil einen zu weiten Ausschnitt hat, wenn meine Leggins nicht den Knöchel bedeckt oder wenn man die Träger des BHs sieht?! Hallo?? Wir sind doch unter uns, unter Frauen! Dann kann das doch unmöglich als aufreizend verstanden werden, schließlich würde ich so ja nicht in die Stadt gehen. „Indian culture“, bekomme ich regelmäßig als Antwort auf meinen genervten Blick, wenn wieder mal ein Fetzen Haut zu viel zu sehen ist. Abgesehen davon, dass dieses Argument der Wahrheit entspricht ist es auch wirklich clever, da total entwaffnend. Was will man da noch sagen? Also lasse ich es zu, wenn mir mit Sicherheitsnadeln der Ausschnitt bis unters Kinn (ok, das ist geringfügig übertrieben) zugesteckt wird.

Und gerade als ich dabei bin, zu denken, ich könnte denken, wie Inderinnen denken, stehen zwei von ihnen abends vor meiner Tür und wollen, dass ich sie aufkläre über den Gebrauch von Tampons. Ganz ungehemmt (nein, sie waren nicht betrunken) und ganz selbstverständlich. Ok, dachte ich mir, warum nicht, und tat, was von mir verlangt wurde (als sie von mir forderten, es ihnen vorzumachen, stieg ich allerdings aus!). Interessiert hörten die beiden zu und fanden den Gedanken daran, Tampons zu benutzen skurril und völlig absurd (der Grund: „Indian culture“).

Gelegentlich bekommt man auch die allgemein bekannte Stutenbissigkeit zu spüren, jedoch muss ich sagen, dass ich immer wieder verblüfft davon bin, wie fair hier geteilt wird. Nicht nur die Arbeit (z.B. Putzen oder Gartenarbeiten) sondern auch das Essen. So bekommt es unsere Köchin hin, drei Papayas gerecht auf 20 Mädchen aufzuteilen und ich habe noch nie gesehen, wie eine 2 Liter Flasche Pepsi so exakt auf 16 Personen aufgeteilt werden kann. Da war jeder Tropfen im richtigen Becher!!

Der wohl größte Streitpunkt besteht aus Lästereien über den jeweiligen „hero“ der Mädchen (jedes Mädchen hat hier einen bestimmten Schauspieler (zu 98%iger Wahrscheinlichkeit hat er einen großen, markanten Schnauzbart), der sich „hero“ nennt als Schwarm, sprich: das Mädchen hat sämtliche Bilder von diesem Kerl aus der Zeitung ausgeschnitten und an einem sicheren, oft geheimen Ort versteckt, sodass sie ihn jederzeit anhimmeln kann). Und das ist starker Tobak (??), wenn man sich über diesen gottgleichen „hero“ lustig macht (was manchmal nicht völlig zu vermeiden ist, zumindest von meiner Seite aus).

Ihr seht hoffentlich: Das Leben ohne Männer hat seine Tücken. Besonders für mich, als Westlerin, die an das Leben mit Frauen UND Männern gewohnt ist,  ist das oft nicht einfach mit so viel Östrogen klarzukommen (schließlich ist es schon eine Herausforderung mit meinem eigenen umzugehen!).

Es ist schon wirklich interessant, so abgeschirmt von Männern zu leben und hat auch viele Vorteile (z.B. kann man viel ungehemmter tanzen). Nur eines kann ich jetzt nicht mehr tun zumindest nicht in dem Ausmaß, wie ich es bislang tat: Eine meiner Lieblingsbands kann ich nicht mehr länger hören, beziehungsweise nur noch ganz dosiert.

Der Grund? (nein, diesmal ist es nicht „Indian culture“! Obwohl…)
Die Band heißt „the xx“. Und das sind mir einfach zu viele „X“ unter den nicht vorhandenen „Y“s!

(eigentlich sollte der Eintrag hier beendet sein, allerdings ist mir gerade noch was eingefallen: )



Der Kompromiss?
Für zwei Lieder der „Yeah Yeah Yeahs“ (immerhin drei „Y“s! Und die Band ist auch schnieke!) werd ich jetzt eins von „the xx“ hören, um mein Gewissen zu entlasten und mir das Gefühl zu geben, endlich wieder was für die Männerquote zu tun. Und für den Fall, dass gar nichts mehr hilft, schließe ich mich ein und höre 5 Stunden Metallica. Die haben zwar kein „Y“ im Namen, aber dafür jede Menge davon in ihrer Musik!

1 Kommentar:

  1. Rachel against the machine26. November 2011 um 17:18

    Klammerchaos!
    The xx! :D hahaha und ich dachte mir schon: Hmm, welche band wird sie jetzt wohl nennen?
    XOXO
    Rahel

    xxx xD

    (Wahnsinn wie viele Xes man in der Verabschiedung verwursten kann, sie sprudelten nur so aus mir heraus!)

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