Montag, 30. April 2012

Verfolgungsjagd


Mit vollen Einkaufstüten, frisch gefülltem Pizza-Magen, sieben Paar neuen Ohrringen  und leichtem Sonnenbrand steige ich erschöpft in die Riksha. Ein kurzer Blick auf die Uhr – Mist, schon nach vier! „Nach Tarnaka, zur Bushaltestelle bitte!“, sage ich dem Fahrer. Gedankenversunken schaue ich aus dem Fahrzeug und denke daran, wie geflasht ich von diesem Anblick war, als ich einst – vor nun fast 8 Monaten! – nach Indien kam. Autos, Busse, Rikshas und Fahrräder rauschen an mir vorbei. Ein kurzer obligatorischer Blick auf den Bus, der mich gerade überholt: „242B“ steht auf dem oben befestigten Schild. Wie so oft betrachte ich die Preistafel an der Tankstelle: Wieder gestiegen! Ich schaue Menschen hinterher und sehe gierig auf die riesigen Obstberge am Straßenrand. 

Plötzlich klingelts. Laut. Nervig. Unaufhörlich. Das war doch gerade MEIN Bus! Der direkte Bus nach Bogaram!! Das ist quasi ein Sechser im Lotto!!!
„Fast, fast, I have to catch this bus!“, brülle ich den Rikshafahrer an.
Eben jener Bus ist bereits an der Kreuzung vor uns abgebogen. „Turn, turn!!!“, „Sorry Madame, English no!“, bekomme ich als Antwort. Na klasse! Der Ton macht die Musik und wenn er mich eh nicht versteht, kann ich es im auch auf Deutsch erklären, denke ich mir und lege los: “Guter Mann, ich muss diesen beschissenen Bus da vorne kriegen, sonst muss ich mal locker noch 2 Stunden warten, also hol jetzt alles aus der Kiste raus, was geht!” – Fragendes Kopfschütteln. Ein Blick nach vorne: Lediglich die dicke dunkle Rauchwolke des Busses ist noch zu sehen.

Jetzt reichts.

Ich beuge mich nach vorne und lege meine Hand auf den Lenker. Mit allem Schwung drehe ich ihn zum Anschlag nach unten und die Riksha beginnt zu schnurren. Der Schweiß steht mir auf der Stirn, mein Fahrer weiß nicht wie ihm geschieht, doch wir machen Meter um Meter gut. Längst im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der anderen Verkehrsteilnehmer angelangt, versteht der Rikshawalla nun endlich, was ich vorhabe. Er gibt mir ein Zeichen, sodass ich mich wieder hinsetze und eilig meine Taschen zusammankrame und Geld raussuche. Wir sind jetzt auf einer Höhe mit dem Bus. Ich halte meinen Kopf aus der Riksha und brülle was das Zeug hält, während ich mit den Händen wie wild umherfuchtel, sodass mir beinahe die Taschen abhandenkommen. Die Menschen im Bus nehmen mich als erstes wahr. Fragender Blick, Entsetzen, dann ein schüchternes Lächeln und schließlich gehässiges Lachen – so ist die allgemeine Reaktion auf mein Erscheinungsbild. Eine gefühlte Ewigkeit, die ich mit rumhampeln, zappeln und brüllen fülle, dann bemerkt mich endlich der Fahrer des Busses. Auch er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ja, lacht doch ruhig ihr blöden Säcke!!!“, rufe ich. Schließlich hat er Erbarmen und bremst den Bus ein wenig ab. Ich wittere meine letzte Chance. Innerhalb von drei Sekunden drücke ich dem Fahrer das Geld in die Hand und springe aus der Riksha – AUA! Nun sitze ich da, auf meinem Hintern, mitten auf der Straße. Meine Tüte mit dem Monopoly ist aufgeplatzt und mein Fuß verknaxt. Der Bus fährt weiter. Ich glaub ich spinne! Ich nehme den ganzen Kram unter den Arm und flitze los, hinter dem Bus her. In Gedanken verfasse ich die schlimmsten Wutreden meines Lebens. Am liebsten würde ich heulen oder schreien oder beides – doch dafür bleibt jetzt keine Zeit!

 Vielleicht ist es eine göttliche Eingebung, Mitleid oder einfach nur Zufall. Jedenfalls  kommt der Bus nach etwa einer Minute „Flitzen am Limit“ zum Stillstand. Ich steige ein und setze mich auf den Behindertenplatz. Zumindest für die nächsten fünf Minuten, so finde ich, habe ich darauf vollen Anspruch!

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