'Was findest du, ist der größte Unterschied zwischen Indien und
Deutschland?' fragte Birte mich nachdem ich die ersten Tage in Indien verbracht
hatte. 'Hm, gute Frage' meine Antwort 'Alles! Frag mich lieber mal nach
Gemeinsamkeiten, da fällt mir eine ein: In Indien und in Deutschland gibt es
Menschen.'
Und so ist es. Indien und Deutschland haben nicht viel gemeinsam,
zumindest nicht das traditionelle Indien. Die Mentalität in Indien ist so frei
und doch so begrenzt. Begrenzt in dem Sinne, dass es schwierig scheint, nach
Indien zu kommen und seine eigene Kultur voll auszuleben. Das fängt bei der
Kleidung an. Zeig keine Schultern, keine Knöchel, bedeck dich, wenn du eine
Frau bist. Pass auf, dass man keine BH-Träger sieht. Steck die Schüre deines
Hosenbunds weg oder bist du eine Prostituierte?
Es war nicht immer einfach sich an diese 'Regeln' zu halten. Nicht weil
ich es nicht wollte, sondern weil ich es einfach schnell mal vergessen habe,
meine Schnürchen wegzustecken. Denn diese Schnürchen an der Hose waren bisher
nie etwas, worüber ich nachgedacht habe.
Abgesehen von der Kleidung gibt es noch viele andere Kleinigkeiten zu
beachten wie zum Beispiel nur mit der rechten Hand zu essen. Es passierte mir
schnell und oft vor allem am Anfang meines Indien-Aufenthaltes, dass ich irgendetwas
falsch machte. Zum Glück hatte ich ja aber meine indische Cousinenfreundin
immer bei mir, die mich schnell auf meine Fehler aufmerksam machte.
Aber trotz allem fühlte ich mich in Indien einfach frei. Die Ukulele in
die Hand nehmen und einfach losträllern ohne groß darüber nachzudenken was die
anderen denken. Und das in Schlafanzug. Natürlich gucken die Leute, aber es ist
ein angenehmes Beobachten, keine zweifelhaften Blicke, nur Interesse. Keine
schiefen Blicke, nur Freundlichkeit und in den Augen generell viel Interesse.
Egal wo wir waren, egal, uns wurden immer die gleichen Fragen gestellt.
Wir sind vom Himalaya bis in den Süden Indiens gereist, aber die Fragen blieben
die gleichen: Which country? Which part of Germany?
First time India? How long in India? Do you like India? What you doing in
India? ...Wanna see my shop? (…) Irgendwann gingen diese netten Fragen uns
allerdings so auf den Keks, dass wir uns unbekanntere Heimatländer als
Deutschland ausgesucht haben. Schweden zum Beispiel, manchmal sogar Papua
Neuguinea, um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen. Meistens ging die Rechnung
auf, nur einmal wurde uns dann auf Schwedisch geantwortet, upps!
Ich bin nun seit gestern zurück in Deutschland und alles ist wieder wie
vorher, abgesehen davon, dass das Wetter gut ist. Die Angestellten am Flughafen
waren schlecht gelaunt und nörgelig, der Mann bei der Passkontrolle, hat sich
scheinbar einen Zacken aus der Krone gebrochen, um ein gelangweiltes 'Hallo'
aus seinem Mund zu pressen.
Das erste was ich gemacht habe, als ich zuhause war, war mich in den
Garten zu setzen und nichts zu hören, außer das laute Rauschen in meinem Kopf.
Da habe ich gemerkt, Indien ist verdammt laut. Und trubelig. Kein Wunder, wenn
in einem Land 1.241.491.960 Menschen leben eigentlich. Zwar
sind wir insgesamt ca. 6745km durchs Land geschrubbt, aber trotzdem war jede
Stadt voller Menschen. Menschen überall und Kühe, Schweine, Ziegen, Hunde,
Schafe und Pfaue. Nur in der Wüste war es leer. Da gab es nur die eben genannten
Tiere plus frei lebende Kamele und Dreck.
Dreck, auch das gehört zu Indien. Und Müll. Es ist nicht nur Friede,
Freude, Eierkuchen in diesem bunten Land, denn oft ist der Straßenrand aus dem
Grund bunt, dass er bedeckt ist mit Müll. Und hier und da Kühe, Schweine und
Menschen, die in diesem Müll leben...
Mittlerweile bin ich seit drei Tagen zurück. Und ich habe mich mal
wieder unter deutsche Menschen getraut. Und mich mal so verhalten wie in
Indien. Lächeln. Nicht nur, dass niemand 'Hallo! Hallo! Hallo! How are you?'
gerufen hat oder heimlich versucht hat mich zu fotografieren. Man bekommt meist
auch kein Lächeln zurück. Und das liegt größtenteils daran, dass niemand guckt.
Jeder ist mit sich beschäftigt. Es gibt Menschen. Aber auch die sind ein
Unterschied.
Liebe Rahel,
AntwortenLöschenDas ist wirklich ein sehr schöner Reisebericht und ich finde du hast deine Eindrücke gut beschrieben. Ich merke, und weiß es natürlich auch, dass es dir wirklich gut dort gefallen hat und beneide dich noch immer, dass du diese wunderbare Reise mit deiner Lieblingscousine machen konntest.
Von diesen Erlebnissen wirst du dein lebenlang zeeren können und dich bestimmt immer wieder gern daran zurückerinnern.
-DIE ERINNERUNG IST DAS EINZIGE PARADIES AUS DEM UNS KEINER VERTREIBEN KANN-
deine MAMA