Seit nun etwa einem Jahr führe ich eine Fernbeziehung auf
mehr als 7000 Kilometern Entfernung. Ich werde nun versuchen, zu beschreiben,
was es bedeutet, sich in einem Jahr exakt 22 Tage zu sehen. Oder vielmehr: was
es bedeutet, sich in einem Jahr 343 Tage nicht zu sehen.
Am Anfang ist es einfach nur vermissen. Es fehlt jemand. Und
dieses Gefühl macht einen irgendwie einsam. Man schläft alleine ein, man wacht
alleine auf. Man erlebt alles allein und das frustriert.
Dann kommt man irgendwann an den Punkt, wo einen die
Sehnsucht fast auffrisst, wo man verrückt wird, wenn man realisiert, dass der
Partner nur ein Bild im Laptop ist, nur ein paar Buchstaben in der Email, nur
das Foto an der Wand.
Phase drei sieht so aus, dass man aus lauter Verzweiflung anfängt,
mit einem illusionierten Menschen zusammen zu sein – also in der Realität. Das
fängt so an, dass man seinem Kopfkissen einen Gute-Nacht-Kuss gibt, dann
beginnt man sich selbst den Rücken zu kraulen, über die Haare zu streicheln und
irgendwann endet es mit hitzigen Diskussionen darüber, wer dem anderen gerade
die Decke weggenommen hat.
Doch auch wenn das bereits alles ziemlich armselig und
traurig klingen mag, so ist die schlimmste Phase noch nicht erreicht. Man kann
sie nicht richtig einordnen, weil es ein schleichender und unaufhörlicher
Prozess ist. Wenn du vergessen hast, wie es ist, den anderen zu küssen, dann
hast du diese Phase erreicht. Und genau dieses Vergessen ist es, was dich
aufzufressen droht. Wenn du vergisst hast du dich damit abgefunden. Und da
einem über ein so langen Zeitraum nichts anderes übrig bleibt, als sich damit
abzufinden, weil Körper und Kopf gar nicht
stark genug sind, dagegen anzukämpfen, vergisst du allmählich alles. Nur noch
die tägliche SMS erinnert dich dann daran, dass du einen Freund hast.
Warum schreibt die Alte nur so viel Gefühlsduselei, das
interessiert doch kein Mensch!
Nunja, ich hoffe, dass mich diese Fernbeziehung auf die
kommende vorbereitet – auf die mit Indien.
Möglicherweise tue ich das nur, um der ganzen Sache
wenigstens etwas Positives abzugewinnen, doch es werden sich bestimmt einige
Parallelen wiederfinden.
Wenn man weiß, wie hart so eine Fernbeziehung sein kann,
dann realisiert man auch erst einmal wie berechtigt die Angst davor ist. Ich
fürchte mich davor, eines Tages zu vergessen, wie sich der Wind des Monsuns in
meinen Haaren anfühlt. Und das einzige was ich dagegen tun kann ist, in diesem
Moment aufs Dach zu gehen, den Zopf zu öffnen und den Wind wehen zu lassen…