Dienstag, 22. Mai 2012

Kompass



Ich kam, sah und….war verwirrt.

Sollte eines Tages eine Biographie meiner Person existieren, dies wäre wohl der passende Titel – zumindest wenn man vom momentanen Zeitpunkt ausgeht. Wobei...nein, es ist kein Zeitpunkt. Mein ganzes Leben lang bin ich schon verwirrt. Ich hatte noch nie ein klares Ziel vor Augen, keinen genialen Plan von meinem Leben, nicht mal einen schlechten.

Das machte mir früher noch nicht zu schaffen, denn da stand für mich fest: Montags bin ich Ärztin, dienstags Lehrerin, mittwochs Reiterhofbesitzerin, donnerstags Tierärztin und am Wochenende Rockstar.

Mittlerweile ist mir bewusst geworden, dass ich all meine Hobbys, meine Interessen und meine eingebildeten, aber auch die tatsächlich vorhandenen Talente nicht so einfach unter einen Hut bringen kann.

Es dürstet mich nach Ruhm, Macht und Geld genauso sehr wir nach einem Leben in völliger Armut, fern von Konventionen und dafür in Freiheit und Selbstbestimmung.

Und ich hasse Kompromisse.

Was stimmt da nicht mit mir? Ich bin 20 Jahre alt, stehe nun endgültig an der Kreuzung in meinem Leben wo ich Entscheidungen treffen muss und bin völlig unfähig, dieser Anforderung gerecht zu werden.

 Es scheint, als hätte ich meinen Kompass verloren, vielleicht ist er auch einfach kaputt oder aber ich habe nie gelernt ihn zu lesen.

Ich wünschte ich könnte mein Leben komplett in die Hände des Schicksals legen, oder die des Zufalls, des Windes, der Liebe oder in die Hand Gottes oder an was auch immer ich glaube.

Nunja, ich weiß nicht ob Gott so etwas macht, aber das Schicksal schreibt mir sicher keine Uni-Bewerbungen. Also muss ich doch irgendwie aktiv werden. 

Ich kann das Leben nicht auf mich regnen lassen, ohne vorher die Wolken über mein Haupt geschoben zu haben.

Als ich hierher kam, wollte ich Klarheit über mein Leben gewinnen, doch das Einzige, was mir diesbezüglich klar wurde ist, dass ich völlig verwirrt bin.

Mir reicht kein einziges kleines kurzes Leben, um meine ganzen Träume zu verwirklichen! Und wenn ich nicht die Gewissheit habe, dass ich irgendwann nochmal auf Neustart klicken kann, erscheint es mir unmöglich mich für einen Lebensstil zu entscheiden. Ich möchte kurz mal auf „Speichern“ klicken und dann alles Mögliche ausprobieren, bevor ich mich festlege.

Aber nein…dann wäre mein Leben ja völlig sinnentleert.

Ich habe geübt, gelernt, probiert. Jetzt stehe ich gespannt hinter dem roten Vorhang und warte darauf, dass er sich öffnet. Und ich muss begreifen, dass es letztlich, völlig unabhängig davon, was sich auf der anderen Seite des Vorhangs befindet, nur auf meine eigene Darstellung ankommt. Denn die höchsten Ansprüche an mich sind meine eigenen.
Und hey, ich meine, wenn ich am Ende der Vorstellung nur Pfiffe und faulige Tomaten von den Zuschauern bekomme, mein Gott, dann such ich mir halt ne andere Bühne. Hauptsache ist, dass ich dabei nie aufhöre, ausschließlich mich selbst zu spielen.

Ich glaub ich weiß, wie sich die Sache mit dem Kompass bei mir verhält. Ich habe einen. Ich weiß auch, wie ich ihn lesen muss. Doch ich weiß eben auch, dass die Erde rund ist, damit man in alle Richtungen gehen kann. Also werde ich meinen Kompass beruhigt zuklappen und daran denken, dass man ohne Orientierungssinn viel mehr von der Welt sieht.

Und irgendwann möchte ich lächelnd unter der Erde liegen und an die Worte auf meinem Grabstein denken: „Was wäre wenn…?“

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