Freitag, 3. August 2012

Jetzt ist es passiert


„Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere“

Jetzt ist es passiert. Zwar ist die Tür noch nicht ins Schloss gefallen, aber der Schlitz zwischen Tür und Rahmen ist so winzig, dass ich gerade noch so mit einem halben Auge durchblicken kann. Folglich ist die Sicht auf meine momentane Situation ziemlich beschränkt.

Was ich sehe sind Kinder, für die ich eine Freundin bin, für die ich die große Schwester bin, die Lehrerin, das große Vorbild oder auch die Mutter.  Und ich werde all das zurücklassen. Mit einem Mal. Einfach so.

Und ich werde nie erfahren, was aus all den Menschen geworden ist, die für ein Jahr meine Familie waren.

Jetzt ist es passiert. Ich realisiere es. Natürlich genau in dem Moment als meine Chefin neben mir sitzt. Scheiß Timing.

Ich fühle mich zurückversetzt, bin jetzt wieder wie zuvor, klein und schwach und hilfesuchend. Es ist wie vor einem Jahr nur viel schlimmer. Denn dieses Mal ist es ein Abschied für die Ewigkeit. Selbst wenn ich irgendwann zurückkommen sollte, es wird nichts so sein wie es jetzt ist. Dazu kommt, dass meine Mädchen selbst unheimlich traurig sind. Sie weinen um mich, ich um sie und trotzdem bin ich die Große: Diesmal werde ich nicht getröstet, diesmal tröste ich selbst.

Jetzt ist es passiert. Ich fange an meinen Koffer zu packen. Ich kaufe für fast 80 Mädchen Abschiedsgeschenke und organisiere meine Fahrt zum Flughafen.
Wenn ich jetzt hier so sitze spüre ich zwar tiefen Schmerz, aber gleichzeitig auch unendliche Dankbarkeit. Dieser Ort hier, dieses Heim, dieses Dorf, dieses Land und allem voran diese Menschen haben mir so viel beigebracht. Ich habe so viel über mich selbst gelernt, mich so entwickelt, so viele außergewöhnliche Erfahrungen gemacht, bin so oft an meine Grenzen gekommen und habe sie überwunden,  dass ich voller Stolz und Dankbarkeit an diese Zeit zurückdenken werde.

„Wenn sich eine Tür schließt, steht eine andere bereits offen.“

Jetzt ist es passiert.

Alles was ich jetzt noch tun muss ist die Mädchen zu küssen, meinen Koffer zu nehmen und durch die Tür zu gehen.


Und bis dahin halte ich den Atem an.

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