Dienstag, 13. März 2012

Gastbeitrag 1.0

So meine Lieben,

ich sitze gerade in einem schaebigen kleinen Internetcafe inmitten Bangalores...In fuenf Tagen werde ich mit Hannes fuer drei Wochen Sri Lanka unsicher machen und daher wohl keine Zeit haben, meinen Blog zu pflegen.
Als Leckerchen fuer diese Zeit gibts allerdings den durchaus gelungenen Gastbeitrag meiner Eltern, ueber den ich mich sehr gefreut habe! Fuer mich war es eine sehr schoene und erkenntnisreiche Zeit... Voraussichtlich wird sich nach meinem Urlaub einiges fuer mich aendern doch bis dahin werd ich alles geniessen, was geht!!!

Viele liebe Gruesse und vielen Dank an Mama und Papa <3




Seit einer Woche sind wir nun wieder zurück in Deutschland und tragen die Bilder Indiens und die Erinnerungen in uns, die wie Blitzlichter immer wieder in unserem Alltag auftauchen.
Unsere Reise nach Indien hat schon im Vorfeld viel Spannung und Vorfreude in uns ausgelöst; sollten wir doch nicht nur ein fremdes Land mit seiner Kultur kennenlernen, sondern auch unsere Tochter wiedersehen, die seit einem halben Jahr in genau diesem, uns fremden Land zu Hause ist.
Unser Wiedersehen am Flughafen in Hyderabad war freudig emotional und erfüllte uns mit großer Dankbarkeit bei der Umarmung. Der Flughafen war so wie wahrscheinlich viele internationale Flughäfen weltweit und bereitete uns in keinster Weise auf das vor, was uns in der 5 Millionenstadt Hyderabad erwartete. Der für uns gewöhnungsbedürftige Linksverkehr war dabei das Geringste. Eng an eng schlängelte sich der Verkehr durch die Stadt -  Autos, Rikschas, Mopeds, Fahrräder, Menschen und Kühe schienen ohne Ordnung zu sein. Spiegel sind eingeklappt und Blinker scheinen keine Rolle zu spielen. Überholen ist rechts wie links in jeder Lücke möglich und Verkehrsregeln werden durch andauerndes und lautes Hupen geklärt. Aus einem geregelten, strukturierten Deutschland kommend bedeutete diese Ankunft in Indien eine leichte Überforderung. Und genau wie Birte uns sagte erlebten wir, dass in diesem offensichtlichen  Durcheinander sich alles doch auf ganz fantastische Weise regelt und dieses Chaos doch eine Ordnung zu haben scheint.
Diesen Eindruck sollten wir noch in ganz vielen Momenten und Begegnungen unserer Indienreise erleben.
Wir werden hier keinen Reisebericht schreiben, uns ist wichtig einige Eindrücke widerzugeben, die uns nachhaltig beeindrucken und beschäftigen.
Ohne die gute Vorplanung und Ausarbeitung der Route durch Birte und ohne ihren engagierten Job als „Reiseleitung“ hätten wir ganz sicher eine andere, nicht so individuelle Indienreise erlebt. Wir reisten mit Zug, Bus (sleeper bus), Taxi und Rikscha zu den unterschiedlichsten Orten ( Hyderabad, Bogaram, Bangalore, Maysore, Nargarhole und Goa), das Gepäck immer dabei und nicht wissend, wo wir die nächste Unterkunft haben werden.
Wenn man in den letzten Jahren einen doch sehr anderen Urlaub gemacht hat, so bedeutet ein solcher Urlaub in einem Land wie Indien - das so voller Schönheit und Müll, so arm und reich, so vielfältig und gegensätzlich und so voll von unterschiedlich lebenden Menschen ist - durchaus eine Herausforderung. Begegnungen unterschiedlichster Art, Gesehenes, Gehörtes und Erlebtes haben so intensive Eindrücke bei uns hinterlassen die sicher noch lange nachwirken.
Am meisten beeindruckt hat uns das „indische“ Leben unserer Tochter, wie sie unter teilweise schwierigen Bedingungen sich den Aufgaben stellt und diese bewältigt, was wir sehr wertschätzen und bewundern. Ein besonderes Erlebnis unserer Reise war der Tag in dem Mädchenheim, zu sehen wo und wie sie lebt und die Begegnung mit den Mädchen und mit Alma, denn sie sind wichtige Personen in Birtes Leben geworden und gehören zu ihrem Alltag.
Wir sind dankbar, dass wir gemeinsam diese Reise mit unserer Tochter erlebet haben und wir ein bisschen teilhaben konnten an ihrem Leben. Wohl wissend, dass Eltern auch anstrengend sein können würden wir diese Reise jederzeit wieder machen (das soll keine Drohung sein!) und mehr von Indien entdecken wollen. Denn wir finden
                                         INDIEN IST ANDERS  -   INDIEN IST MEHR
Wir wünschen Birte eine schöne, erfahrungs- und erlebnisreiche Zeit und sind in Gedanken bei ihr


Montag, 5. März 2012

Wie ich versehentlich Alice Schwarzer stolz machte



Hier sitze ich nun in einer Halle gefüllt von Feministinnen. Lauter Fratzen, die stolz ihre Bein- und Gesichtsbehaarung zur Schau stellen, die für die Weiblichkeit kämpfen obwohl sie selbst aussehen wie weißrussische Kugelstoßerinnen. Bilde ich es mir ein oder hängen ihnen tatsächlich Schilder um den Hals, die in großen Lettern aussagen was keiner Aussage mehr bedarf: „Ich bin chronisch unbefriedigt!“?
Und während ich mir stundenlang Vorträge auf Telugu anhöre vertiefe ich mich in Gedanken, ob es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen schlechtem Aussehen und dem übermäßigen Engagement in Sachen Frauenrechte gibt… Ach, sieh an, da hinten sind ja auch ein paar mickrige Männerchen. Die scheinen den Braten mit den unbefriedigten Emanzen gerochen zu haben –Quantität statt Qualität. Und auch wenn, oder gerade weil mir jedes Verständnis für das Erscheinen männlicher Besucher fehlt, so muss ich den Herren doch zugutehalten, dass sie Mut haben. Ich hätte angesichts der üblen Blicke viel zu große Angst, nur noch als halber Mann den Saal zu verlassen – echt.

Plötzlich hören meine Ohren, die längst darauf abtrainiert sind, nur noch ganz spezielle Wörter rauszufiltern und dann bis zu meinem Gehirn weiterzuleiten, ein mir nur allzu vertrautes Wort, das mir das erste authentische Lächeln des Tages entlockt: „Snacks!“

Ich eile runter. Kekse und Tschai – Strike! Erst jetzt wird mir klar, wie glücklich ich mich schätzen kann, einen Platz in der ersten Reihe zu besetzen, denn so konnte ich für lange Zeit verdrängen, welche Rolle ich an diesem Tag mal wieder übernehmen sollte: Ich bin der Affe im Zoo. Nein, schlimmer noch, denn die Menschen versuchen nicht einmal mich zu füttern sondern lediglich Fotos zu schießen und mich zu begrabschen. Ich lächle schüchtern und versuche jede Art des Blickkontakts zu vermeiden.

Buff, „AUA!“, „OH SORRY!!!“, „Verdammte Scheiße, geht’s noch?!“

Nicht nur, dass ich einfach mal so gewaltvoll angetippt werde, dass ich mir meinen kochend heißen Tee über den Arm kippe, nein, jetzt ist auch noch mein weißes T-Shirt im Arsch!

Eilig kommt eine Freundin der Attentäterin zur Hilfe: „Sorry, Madame, my friend doesn’t speak English!“

Freundlich lächelnd (für diese Darstellung hätte ich nen Oscar verdient!) drehe ich mich zu meiner Tee-Bekanntschaft um: „Ach weißt du, das macht üüüberhaupt nichts! Ist ja ganz selbstverständlich, dass ich hier durchgängig den Kasper spiele, der 200 Mal dieselben bescheuerten Fragen denselben bescheuerten Menschen beantwortet, die zwar in der Schule den Fragesatz gelernt haben, aber meine Antwort überhaupt nicht verstehen. Es macht mir im Übrigen auch tierischen Spaß mich mit so rücksichtsvollen Menschen wie du einer bist fotografieren zu lassen. Und davon abgesehen macht es mich regelrecht an, am Tag 80 Paar schwitzige Hände zu schütteln wenn es auf dem Klo nicht mal Seife gibt!“

„You are so nice, sister!“ lautet die Gegenreaktion.

Anstatt mir einen neuen Tee zu holen, beschließe ich, auf Toilette zu gehen. 

Geil.

 Da halten Emanzen Emanzenvorträge für andere Emanzen, in denen sie die Welt verändern wollen und zwei Minuten später werde ich vor die Tatsache gestellt, dass es in dem riesigen Gebäude sechs Toiletten für Männer und genau eine einzige für Frauen gibt. Die Reihe vorm Klo ist 20 Meter lang, macht nach dem Einsteinischen Klogesetz etwa 35 Minuten Wartezeit – zu lang!

„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, denke ich mir und da ich sowieso der ungewollte Mittelpunkt der Veranstaltung bin, trete ich vor die Menge und unterbreite ein Angebot, dass man (also auch Mannsweib) nicht abschlagen kann: „Hey, can you listen for a second? Why don’t we just use the Gents toilet, too? I can only see women, so there won’t be any problem…!”

Blankes Entsetzen ist die Antwort. „No!“, „NO!!“, „No, no, no!!!!“, rufen alle hektisch durcheinander (in diesem Moment stellte ich fest, dass es doch irgendwo Frauen sein müssen…).

„Ach leckt mich doch!“, sage ich in neutraler Tonlage (der Ton macht die Musik!) und gehe entschlossen an der Warteschlange vorbei aufs Männerklo.

Mein Kopf redet noch etwa 5 Minuten mit den verklemmten Damen vor der Tür, die sich hoffentlich vor lauter politischer Korrektheit in die Hose machen, während ich mir bereits die Hände wasche. Plötzlich klopft es. HÄ? Klopfen? Eine Männerstimme ertönt: „Madame, please come outside!“, höre ich eine nun recht raue Männerstimme.

Moment mal, werde ich hier gerade aus dem Klo geschmissen?! Ich öffne die Tür. Ein Mann in Nadelstreifenanzug, groß gebaut, steht vor mir und guckt mich erbost an.

„I am the owner of this house and I you are not allowed to use this toilet! This is for men only, you have to use this toilet!”
“Ok, sorry…”, höre ich mich sagen. Bin ich eigentlich bescheuert?! OK?! SORRY?! Der Schnösel soll sich mal….Mann ey! Ich gehe völlig verunsichert zu meinem Sitzplatz zurück. 

Auf halber Strecke drehe ich mich auf dem Absatz meiner Flip-Flops um, laufe mit ausgestrecktem Zeigefinger zurück und brülle: „Eines sag ich euch: Ihr Emanzen seid auch nicht mehr das, was ihr mal ward!“

Samstag, 3. März 2012

Finally back: 3 minutes in the brain of Birte


Ich hab keine Lust


Ich habe beschlossen, dass der Satz „Ich hab keine Lust“, das beste Argument der Welt ist. Man sollte nichts tun worauf man keine Lust hat.

„Ach, die hat doch keine Ahnung, wie der Hase läuft!“, höre ich die Rufe schon bis nach Bogaram klingen. „Ich muss zur Arbeit, ich muss kochen und die Wäsche macht sich auch nicht von alleine!“, höre ich das ewigen Klagen.
Dabei ist die Gleichung doch eine ganz einfache:

Wenn ich keine Lust habe, meine Klamotten zu waschen, dann mach ich es halt nicht. Das Ganze geht so lang, bis ich nur noch Dreckwäsche im Koffer habe. Und dann hab ich plötzlich Lust zu waschen, weil die Unlust, mit dreckigen, stinkenden Klamotten rumzulaufen, die Überwindung jene zu reinigen schließlich übersteigt.

Würden wir alle nur noch Dinge tun, auf die wir Lust hätten wären wir glücklicher und in jeder Hinsicht reicher. Denn dass wir nur in den Dingen herausragend sind, die uns wirklich Spaß machen und interessieren ist keine Neuheit. Ich gebe zu, manchmal muss man seine Lust etwas austricksen, doch im Großen und Ganzen muss ich mir auch beim zweiten „Drüber-Nachdenken“ meiner Theorie eingestehen, dass ich Recht habe.

Ich habe  nicht über den Besuch meiner Eltern berichtet, weil keine Lust hatte, ich habe heute keinen Computerunterricht gegeben, weil ich keine Lust hatte, ich hab mir die Haare nicht gewaschen, weil ich keine Lust hatte und möglicherweise werde ich diesen Text nie ins Internet stellen einzig und alleine, weil ich dazu keine Lust habe.


Nein, heute gibt’s keinen Schlusssatz, denn: Ich hab keine Lust.