„AAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“
(dieser Ausruf ist mindestens 2 Oktaven höher, als du ihn dir gerade vorgestellt hast)
„HIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHIHI“
(dieses Kichern wird von mindestens 10 Frauen mehr ausgestoßen, als du gerade gedacht hast)
„HAHAHA!“
(dieses Lachen….nein, Stopp, das sind jetzt lediglich Alma und ich)
Ein bisschen peinlich berührt, irgendwie auch sehr geschmeichelt, laufen wir unseren (mittlerweile täglichen!) Gang zum Kiosk in Bogaram. Wer ist eigentlich dieser Justin Bieber? Wer kam eigentlich auf die Idee, man würde von zu viel Ruhm irgendwann abheben? Wer glaubt eigentlich an das Gerücht, man müsse irgendwas Besonderes leisten um berühmt zu werden? Wer hat eigentlich bestimmt, dass der Walk of Fame in Hollywood und nicht in Bogaram ist?
Die Antwort ist bei allen Fragen dieselbe: ein Idiot. Oder zumindest ein Weltfremder, den es noch nie in das allseits berüchtigte Bogaram verschlagen hat. Ein Idealist, der einfach noch nie dabei war, als Alma und ich das Heim verlassen haben und wir jubelnd, schreiend und quietschend empfangen wurden.
Wäre die Straße zum Kiosk nicht nur von Müll, Tierkadavern und Schlaglöchern übersäht, sondern stattdessen mit Häusern bebaut, in denen Menschen wohnen, die eventuell noch Fotoapparate hätten, so käme unser täglicher Spaziergang der Hochzeits-Kutsch-Fahrt von Kate und William gleich. Frauen stehen auf der Ladefläche eines an uns vorbeifahrenden Autos und winken schüchtern. Sobald wir ihnen eines unserer Hollywood-Zahnpasta-Lächeln schenken (im Vergleich zu indischen Zähnen hat JEDER dieses Lächeln!), und dabei gegebenenfalls noch zuwinken, sodass selbst die Queen neidisch wäre (als würde man sanft ein Honigglas aufschrauben, das auf dem Kopf steht…), flippt die Damenwelt nur so aus (die Männer natürlich auch, aber die signalisieren es eben anders…irgendwie…NOCH primitiver…)!
Und diese Reaktionen erfahren wir überall, wo wir auftauchen. Ich denke zurück an den Tag als wir im Zoo waren wo wir für viele Besucher die größte Attraktion (kommt in diesem Fall ganz sicher von „attraktiv“!) darstellten und somit Safari und Zugfahrt in den Schatten stellten. An einem einzigen Tag wurden gefühlte 200 Fotos von uns geschossen, in denen wir abwechselnd mit Kindern, Vater, Mutter oder allen zusammen posieren.
Irgendwann, als wir für mehrere Familien hintereinander Fotos fürs Familienalbum schossen, sagte Alma: „Egal, was jetzt passiert, wir rennen einfach los!“
Und das taten wir dann auch und ignorierten die „Please, madame!“-Rufe.
Die gleiche Szene, immer wieder. Und es ist immer wieder ein Spagat zwischen Scham und Ehre. Und während ich so weitergehe auf dem Weg zum Kiosk und darüber nachdenke, dass ich nicht sonderlich gelenkig bin und daher eigentlich überhaupt keinen Spagat machen kann und mich frage, ob das dann bedeutet, dass ich mich in solchen Spagat-Geschichten für eine Seite entscheiden muss oder ob meine Sportlichkeit doch in keinem Zusammenhang mit der Frage steht, welches Gefühl bei mir überwiegt und wer weiß, vielleicht kann ich das ja auch gar nicht steuern und lenken, vielleicht werde ICH davon gelenkt, meine ganze Gedankenwelt, quasi völlig manipuliert von meinen Gefühlen und meiner Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, aber jetzt muss ich echt aufpassen und mich zusammenreißen, damit ich mich nicht wieder völlig in gehaltlosen Gedankenfetzen verfranse, sonst……..und als ich gerade beschließe Spagat zu lernen, merke ich, dass ich auf weichem Untergrund stehe.
„HÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ????“
(dieser Begriff des Unverständnisses ist viel entsetzter, als du gerade gedacht hast)
„SCHEIßE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“
(dieser Ausdruck bedeutet zwar nicht, dass ich in Kot stehe, ist jedoch trotzdem mindestens so entsetzt wie der zuvor genannte!)
Schnell drehe ich mich zu Alma um, in der Hoffnung, dass sie mir nicht gefolgt war – vergeblich. Sie blickt ebenfalls fragend auf den Boden.
„Scheiße, Alma, wir stehen gerade im frischen Beton.“
Zur vollen Blamage hätte jetzt nur noch ein Spagat gefehlt – wie gut, dass ich den noch nicht geübt hab!
Und da ich schon immer für meine sachliche präzise Situations-Analyse bekannt war, da ich ein logisch strukturierter Mensch bin, dessen Hirn effizienzgeleitet sofort den eigenen Fehler diagnostizieren kann und dann sofort nach Lösungen sucht, den Schaden möglichst gering zu halten, gehe ich nicht die zwei Schritte weiter, um dann wieder auf festem Boden zu stehen, sondern stattdessen die fünf Schritte zurück durch die klebrige Pampe.
Unter den interessierten Blicken etlicher Menschen legen wir unseren „Hä? War irgendwas?“-Blick auf (der auf einer Stufe mit dem Zahnpasta-Lächeln und dem Queen-Winken steht) – natürlich absolut glaubwürdig, nicht nur, weil es mal locker 20 Zeugen gibt, sondern zudem noch unsere Fußspuren in den Boden eingestanzt sind und wir noch frischen Beton unter den Sohlen kleben haben.
Wie war das doch gleich? In Bogaram gibt’s keinen Walk of Fame? Pah, von wegen!
Dass Justin Bieber noch nicht in Bogaram war, ist jetzt auch kein Wunder mehr (schließlich würde der vor Neid erblassen!).
Dass man nichts Besonderes leisten muss, um berühmt zu werden, hätten wir jetzt somit auch widerlegt (das soll uns erst mal jemand nachmachen!).
Nur das mit dem Abheben bei zu viel Ruhm kann ich nicht bestätigen:
Schließlich kann ich in meiner Position mit gutem Gewissen und voller Berechtigung erwarten, standesgemäß vom Pöbel empfangen zu werden!
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* Parallelen zu „Aus dem Leben eines Taugenichts“ sind hier rein zufällig